F e r n w e h-Pur... Reportage

Erlebnis Ecuador:
Auf dem Dach eines Zuges durch die Andenwelt

Eine Zugfahrt, die mitten durch die Anden führt und die Naturschönheiten Ecuadors offenbart: Willkommen auf dem Dach des „Riobamba-Express“. Als eine der Haupt-Touristenattraktionen fährt der fast schon nostalgische Zug von Riobamba über die Nariz del Diablo (Teufelsnase) bis ins kleine Städtchen Bucay.

Um 6.30 Uhr stehe ich auf dem kleinen, verschlafenen Bahnhof von Riobamba. Eigentlich sollte eine halbe Stunde später der „Riobamba-Express“ zu seinem Tagesausflug starten. Nein, erklärt mir ein mürrischer Herr im Tickethäuschen, der Zug würde heute nicht abfahren. Der Schaffner sei heute nicht da. Schade, ohne ihn gibt es keine Zugfahrt. Aber übermorgen würde der „Express“ wahrscheinlich wieder unterwegs sein.

Zwei Tage später stehe ich wieder am Bahnsteig und diesmal ist es soweit. Ich kann mir mein Ticket für den heutigen Ausflug von Riobamba nach Bucay kaufen. Einheimische, für die die Zugfahrt nichts besonderes ist, zahlen knapp 50 Cent. Touristen, die gerne „gringos“ genannt werden, müssen da schon tiefer in die Tasche greifen und sind mit elf US-Dollar auf dem Dach des Zuges dabei. Endlich dürfen wir ein- bzw. aufsteigen, auf das Dach des Zuges. Auf einer kleinen Leiter geht es auf das „roof“. Zahlreiche amerikanische und europäische Reisegruppen haben dort bereits ihren Platz gefunden und haben es sich mit Hab und Gut gemütlich gemacht. Die Einheimischen bevorzugen eher die Innenräume des Zuges und verbringen dort die Fahrt zu ihren Heimatorten mit Schweinen, Schafen und Ziegen. Hoffentlich rutsche ich nicht den Zug herunter, denke ich. Schnell sehe ich jedoch die rettende kleine „Erhebung“ am Ende des Zugdaches. Somit droht wohl keine Gefahr. Keinen Schutz gibt es hingegen gegen Stromleitungen und Tunnel. Da heißt es einfach „Kopf einziehen“, klärt mich ein ecuadorianischer Reiseleiter auf. Mit einer obligatorischen halben Stunde Verspätung setzt sich der Zug in Bewegung. Kurz nach Riobambo kann man ihn schon sehen, den Chimborazo. Leider ist die schneebedeckte Spitze in Wolken gehüllt. Trotzdem ist der Anblick auf den wohl bekanntesten Vulkan Ecuadors beeindruckend. Es geht weiter, in langsamen Tempo tasten sich die Eisenbahn-Waggons durch die Sierra in Richtung Süden. Wir passieren wunderschöne Landschaften, steile Hänge, endlose Felder, Rinder, Schafe und Indio-Bauern.

Auf einmal geht ein Ruck durch die zahllosen Passanten auf dem Zugdeck. Die Lok stoppt. Der Lokführer, der durch seinen ernsten aber auch wichtigtuerischen Blick besticht, steigt aus. Die „gringos“ auf dem Dach schauen sich fragend an. Nach einigen Minuten steigen die ersten von ihrem liebgewonnen Sitzplatz. Auch ich stehe auf und sehe den Schaden bzw. das Geröll. Auf der Bahnstrecke liegen Tonnen von Steinen und Geröll. Der Lokführer und sein Assistent machen sich langsam an die Arbeit und versuchen mit ihren kleinen Schaufeln das Geröll aus dem Weg zu schaffen. Oh, das kann seine Zeit dauern. Die Umgebung ist wunderschön. In der Ferne liegt ein kleines Indio-Dorf, die Sonne kommt langsam hinter den Wolken hervor. Die Touristen haben ihren Spaß. Nach rund zwei Stunden ist das Geröll auf Seite geschafft und der Zug kann sich endlich wieder in Bewegung setzen. Zwischendurch besteigen immer wieder heimische Indios den Zug und versuchen Speisen, Getränke und sonstige Reise-Utensilien (Sonnenbrillen etc.) an die andenhungrigen Touristen zu bringen. 40 Kilometer südlich von Riobamba erreichen wir Guamote, ein uriges Bergdörfchen. Dort verweilen wir für rund eine Stunde. Heute ist Donnerstag: Markt-Tag. Die Einheimischen laufen geschäftig am Bahnhof entlang und versuchen die Touristen, mit ihren Künsten und Speisen zu verwöhnen. Kartoffeln werden in Fett frittiert, Fleisch gegrillt und nebenher wird auch ein Schuhputzdienst angeboten. Viele sind mit ihren mit Gemüse- und Kartoffelsäcken schwer bepackten Maultieren von ihren weit entfernten Dörfern nach Guamote gekommen. Nun geht es aber weiter durch die Halbwüste von Tiocajas und durch die Schlucht des Rio Pomachaca.

Der Aufenthalt in Alausi ist recht kurz. Die Bahn setzt sich wieder in Bewegung. Eine der wohl schönsten Eisenbahnstrecken der Welt wartet. Langsamt verstehe ich, warum diese Bahnstrecke als die steilste der Welt gilt. Über der Schlucht des Rio Chanchán erreicht der „Riobamba Express“ in kleinen Schritten die berüchtigte Teufelsnase „La Nariz del Diablo“. Der Zug meistert den gigantischen Höhenunterschied im Zick-Zack und fährt langsam vor, setzt dann einige Meter zurück. Die Kurve hätten die Waggons ansonsten nicht geschafft. Die Weichen werden hier manuell umgestellt. Die Teufelsnase ist ein beeindruckender Felszinken in Form einer gigantischen Nase. Ich genieße die hervorragende Aussicht auf die Andenwelt und fühle mich teilweise wie auf einer Achterbahn. Dicht unter mir sehe ich den Abgrund.

Ich genieße die abschließende Fahrt bis Bucay, ein keines, recht schmutziges Dörfchen. Dort erwische ich noch einen Bus, der mich noch am gleichen Tag wieder nach Riobamba zurückbringt. Die Busfahrt ist recht eintönig und hat längst nicht die spektakulären Ausblicke der Zugfahrt auf dem Dach der Andenwelt zu bieten.

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Hinweis: Wegen Streckenunterbrechung ist zur Zeit nur die Fahrt von Riobamba bis zur Teufelsnase (Nariz del Diablo) und zurück nach Alausí möglich. Abfahrtzeiten: Jeden Mittwoch, Freitag und Sonntag um 07.00 Uhr. Ticket können vor der Abfahrt oder am Vorabend zwischen 18.00 und 19.00 Uhr am Bahnhofsschalter in Riobamba gekauft werden. Die Ticket kosten ca. 11,- US-Dollar pro Person. Ab Alausí fahren verschiedene Busse in Richtung Riobamba und Banos.

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