F e r n w e h-Pur... Reportage

Singapur:
Zwischen Tempel und Kommerz


Ein Mittwoch morgen im Juli: Der Jumbo-Jet der Singapur-Airlines erreicht seinen Heimat-Flughafen: Changi-Airport in Singapur. Pünktlich um 7.15 Uhr betrete ich zum ersten Mal asiatischen Boden. Ein kurzer Stop-Over in Singapur soll es werden – auf dem Weg nach Down Under.

Die Luft ist hier sehr schwül. Obwohl die Temperaturen bei meinem Abflug in Frankfurt auch recht hoch gewesen waren, ist die Hitze bedrückend. Die Luftfeuchtigkeit scheint hier fast bei 100 Prozent zu liegen. Ich schwitze ohne Ende und bin froh, dass ich meine leichteste und luftigste Kleidung für diesen Zwischenstop eingepackt habe. Meine schweren Koffer schließe ich auf dem Changi-Flughafen ein. Das 20 Kilo-Gepäcklimit am Frankfurter Airport konnte ich leider nicht einhalten. Naja, ich bleibe schließlich ein halbes Jahr in Australien. Ohne größeres Gepäck, nur mit einem Rucksack, der für die notwendigsten Übernachtungsutensilien ausreichend ist, suche ich den Airport Bus ins Stadt-Zentrum.

Der rund zehnstündige Flug hat mir zu schaffen gemacht. An Schlaf war gar nicht zu denken. Natürlich bin ich aufgeregt und freue mich, auf meinen Kurz-Stop in meiner ersten asiatischen Metropole und meinen halbjährigen Aufenthalt in Brisbane. Zudem bietet Singapur-Airlines ein für mich noch unbekanntes Unterhaltungsprogramm an Bord. Jeder Sitz verfügt über einen eigenen Monitor, auf dem Spiele, Musik, Nachrichten, Filmen etc. zu sehen sind. Das Essen ist für normale Verhältnisse in der Luft sehr gut. Der Chefkoch hat es persönlich zubereitet. So steht es wenigstens auf der Speisekarte. Ist hier der Koch genauso wichtig wie der Pilot?

Nach der Ankunft in dem Stadtstaat, der zwischen Malakka (Malaysia) und den indonesischen Riau-Inseln liegt, ist die Müdigkeit fast vergessen. Das Abenteuer kann beginnen! Mit meinen Singapur-Dollar, die ich bereits vor Abflug in Deutschland eingetauscht habe, besteige ich den Airport-Bus No. 36. In diesem öffentlichen Verkehrsmittel sitzen einige Asiaten, die mich freundlich anlächeln. Überhaupt ist das öffentliche Nahverkehrssystem sehr gut. Es gibt Busse, U- und S-Bahn, mit denen man schnell und recht komfortabel jeden Winkel erkunden kann. Der Bus füllt sich langsam und die Luft wird stickig. Egal, ich sehe riesige Palmen und fühle mich zum ersten Mal ganz weit weg von Zuhause. Der südostasiatische Inselstaat besteht aus der 547,6 km² großen Hauptinsel Singapur und 54 kleinen Küsteninseln. Über drei Millionen Menschen leben in Singapur. Davon sind 77 Prozent Chinesen, 14 Prozent Malaien und sieben Prozent Inder. Durch teilweise recht ärmliche Stadtteile von Singapur erreichen wir schließlich Downtown. Dort gehe ich zuerst zu meinem Backpackers, dem Goh’s Homestay in der Bencoolen Street. In dieser Straße, die nicht zu den besten Singapurs gehört, gibt es eine Vielzahl von günstigen Übernachtungsmöglichkeiten, die sich aber wohl nicht wesentlich voneinander unterscheiden. Von außen sieht Goh’s Homestay nicht sonderlich einladend aus. Ich habe diese Unterkunft im Internet entdeckt und konnte nicht ahnen, was sich dahinter verbirgt. Der Aufstieg ist beschwerlich. Im vierten Stock öffnet das Backpackers seine Pforten. Viele junge Leute aus Europa, Amerika, Asien stehen im Eingangsbereich und heißen mich willkommen. Nassgeschwitzt, unter der tropischen Hitze leidend, freue ich mich über die freundliche Begrüßung. Die Ordnungsregeln der Singapurianer gelten auch für das Backpackers. Das Betreten mit Schuhen in den Innenräumen ist tabu. Das Schuhwerk befindet sich aufgereiht, wie vor den Moscheen oder Tempeln, in dem eigens hergerichteten Vorraum am Eingang. Nachdem ich mein spartanisch eingerichtetes Zimmer gesehen habe, nehme ich zuerst eine Dusche. Nach zehn Stunden Flug und einer Stunde Singapur-Luft ist dies schon notwendig.

Nun geht es auf die Straßen der ihrem Ruf nach saubersten Stadt der Welt. Das Wegwerfen von Abfall, Zigaretten, Kaugummi kostet in Singapur 1.000 Singapur-Dollar. Auf meiner morgendlichen Busfahrt habe ich jedoch gemerkt, dass dies wohl nicht für alle Stadtteile gilt. Einige Viertel wirken sehr dunkel und schmutzig. Dieser Eindruck sollte sich auch in den Straßen von Downtown wiederholen. Ich erreiche mit der Orchard Road die Haupt-Einkaufsstraße Singapurs, eine vierspurige Road, eingebettet in Palmen und andere tropische Pflanzen. Ein Luxus-Geschäft reiht sich hier an das nächste. Das „Takashimya“-Kaufhaus lädt zum Shoppen ein. Guess, Armani, Dior – alle europäischen und US-amerikanischen Modemarken sind hier vertreten. Sogar Esprit hat den asiatischen Markt entdeckt und verkauft seine „Asia“-Kollektion.

Gegen Mittag wage ich mich in ein typisch asiatisches Einkaufscenter. Die asiatischen unterscheiden sich maßgeblich von den amerikanischen modernen Shopping-Malls. Hier scheint alles aus Plastik zu sein, die Geschäfte verkaufen Klein-Kram und nach europäischem Sinne „Kitsch“. Der „Food Court“ sieht hier aber sehr einladend aus. Schließlich möchte ich ein original Singapur-Gericht genießen. Natürlich möchte ich auch gerne wissen, was ich zu esse. Die Schriftzeichen kann ich leider nicht entziffern. In Singapur gibt es auf Grund der Bevölkerungsvielfalt vier Amtssprachen: Englisch, Malaiisch, Chinesisch und Tamil. Während Englisch eher die Amts- und Verwaltungssprache ist, hat Malaiisch den Status einer Nationalsprache. Kleinere Verständigungsschwierigkeiten können durchaus auftreten, da die Singapurianer, vor allem die älteren, auch auf Englisch oft recht schlecht zu verstehen sind. Viele Bewohner des Stadtstaates sprechen Singlish, eine gesprochene Variante des Englischen. Singlish ist gespickt mit malaiischen und chinesischen Dialekten, die auch aus der Stakkato-Sprechweise stammen. Natürlich hilft mir in meiner Verwirrung ein sympathischer Singapurianischer Koch. Mit „Chicken“ kann eigentlich nichts schief gehen. Es handele sich schließlich um eine Singapurianische Spezialität, versichert mir der engagierte Meisterkoch. Das „Hainanese Chicken Rice“, in Hühnerbrühe gegarter Reis mit gekochtem Hühnerfleisch und Haut, stammt von der Insel Hainan und schmeckt auch sehr gut. Nicht nur das! Nach zwei Minuten spüre ich die extreme Schärfe des Gerichts. Mir wird warm, ich beginne zu schwitzen. Der „chefe du cuisine“ hat diese Notsituation sofort gedeutet: Ja, ich brauche mehr Reis. Sofort kommt ein kleiner Topf dieser neutralisierenden Körner. „It is your first time in Asia.“ Das stimmt! Die Gerichte asiatischer Restaurants in Deutschland sind kein Maßstab. Puh, mit viel Reis und Flüssigkeit beende ich mein Essen. Es hat interessant geschmeckt, obwohl fast alle Geschmacksnerven überreizt sind. Mit einem „Cafe Latte“ von Starbucks setze ich mich an den Straßenrand und beobachte die geschäftstüchtigen Singapurianer.

Nun interessieren mich natürlich auch die ethnischen Viertel Singapurs, die „Chinatown“, „Little India“, „Geylang Serai“ und „Kampong Glam“ heißen. Die Straßen von Little India wirken sehr beschaulich. Kleine, farbenprächtige Häuschen wechseln sich ab. Hier herrscht nicht das Feeling Singapurs als finanzstarke asiatische Metropole. Zwischen den kleinen Geschäften und den südindischen Restaurants gibt es immer wieder hinduistische Tempel. Es riecht nach Kardamom, Nelken, Jasminöl, Räucherstäbchen, Jasmingirlanden und vielen anderen Gewürzen des Subkontinents. Im Kaliamman-Tempel beginnen einige traditionell mit „Veshti“ bekleidete Inder ihr Gebet. Der Sri Mariamman Temple ist Singapurs ältestes hinduistisches Nationaldenkmal. Der Bau des farbenprächtigen Tempels geht auf Naraina Pillai zurück, der mit Stadtgründer Sir Stamford Raffles Singapur im Jahre 1819 erreichte. Nachdem der erste Grundstein bereits im Jahre 1827 gelegt war, entstand der Tempel in seinem heutigen Erscheinungsbild 1862. Hier wachen die Götter über die gläubigen Hinduisten – und die Touristen. Diesen Markt hat auch das „Hindu Endowments Board“ längst entdeckt: Das Fotografieren kostet hier drei Dollar. Die Schuhe müssen hier, wie in allen Tempeln und Moscheen, vor den Toren abgestellt werden. Es wunderte mich, dass sie nach dem Besuch noch an ihrem Platz waren...

Sehenswert ist auch der „Temple of 1000 lights“ in der Race Course Road. Das Herzstück des buddhistischen Tempels ist die 15 m hohe Statue eines sitzenden Buddha Shakyamuni. Die kleinen Glühlämpchen, die den bunt bemalten Buddha umkreisen, geben dem Tempel seinen Namen.

Das Raffle’s Hotel ist die berühmteste Herberge der Stadt und geht auf deren Gründer Sir Stamford Raffles zurück. Natürlich wird hier auch heute noch in der Bar der berühmte „Singapore Sling“ gemixt. Ich beende den Tag mit einem ausführlichen Shopping-Bummel in der benachbarten Raffle’s Shopping Mall.

Den nächsten Tag kann ich noch für meinen Kurzaufenthalt in Singapur nutzen. Mein Flugzeug nach Brisbane (Australien) geht erst am Abend. Ich kann also erneut asiatische Luft mit vielen interessanten Düften schnuppern. Die Morgenstunden beginne ich mit einem kleinen Spaziergang durch die unterschiedlichen Viertel Singapurs. Langsam erwacht die Stadt, die Straßenhändler und Geschäftsbesitzer bereiten sich auf den Tag vor. Die ersten Gläubigen pilgern in die Gebetshäuser. Ich liebe es, den Morgen mit einer eigenen Sight-Seeing-Tour durch die vielfältigen Völker und Kulturen zu beginnen.

Nach meiner kurzen Tour erreiche ich den Boat Quay/ Clarke Quay, der für seine Restaurant- und Barszene bekannt ist. Hier ist in den späten Morgenstunden noch nicht allzu viel los. Anders sieht es im Finanzzentrum aus. Auf dem Platz vor der Börse laufen gut gestylte Asiaten und Europäer mit Aktenkoffer hektisch auf und ab. Ein neuer Handelstag hat begonnen. In einem Selbstbedienungs-Restaurant nehme ich eine kurze Mahlzeit ein, die aber an Geschmack und Gewürze im Vergleich zu gestern zu wünschen übrig lässt. Ich entschließe mich für zehn Dollar, einen halbstündigen „BumBoat Ride down a historic Waterway“ zu unternehmen. Der Blick vom „Singapore River“ auf die Stadt ist grandios. Wir passieren den Löwen Merlion, das Wahrzeichen Singapurs. Der Hafen Singapurs ist nach Tokio der zweitgrößte Asiens.

Die letzte Station meines Stop-Overs bringt mich nach Kampong Glam. Dort schaue ich mir im sogenanten arabischen Viertel die bekannte Masjid Sultan Singapore, die Sultans Moschee an. Nachdem die Moschee im Jahre 1825 durch die Vereinbarung von Sir Stamford Raffles mit Sultan Hussain Shah gebaut worden war, erhielt sie in den 20er Jahren ihr goldenes Kuppeldach. In den 90er Jahren wurde die Moschee wiederum ausgebaut.

Nun ist es wieder Zeit, zum Changi-Flughafen zu fahren. Von dort aus fliege ich nach Brisbane.

Fazit:

Singapur ist eine Stadt, die sowohl ein modernes als auch ein traditionelles Gesicht hat. Der Mix aus Entertainment, Edelshops und jahrhundertealten Tempeln und Moscheen war faszinierend. Ich kann nur jedem Stop Over-Touristen empfehlen, in Singapur selbst auf Tour zu gehen. In einem Sight-Seeing-Bus erhält man zwar einen kleinen Einblick in die Stadt, bekommt aber vom eigentlichen Leben nicht viel mit. Ich habe die Stadt, wenn auch nur in 1,5 Tagen, zu Fuß erkundet und die eine oder andere singapurianische Ader entdecken können. Singapur, als vielbeschriebenes Vorbild an Ordnung und Sitte, konnte ich nicht in allen Vierteln beobachten. Es gibt viele ärmlichere Stellen, das große Geld scheint nur oberflächlich im Finanzzentrum der Stadt zu fließen. Man sollte auch einen Blick in die verschiedenen Viertel werfen, in denen Chinesen, Inder, Muslims, Hindus etc. friedlich nebeneinander leben und sich von den verschieden Völkern und Kulturen inspirieren lassen. Das ist schließlich selten genug in diesen Zeiten.

Singapur wird oftmals „Klein-Asien“ genannt. Dies war es für mich auch. Durch die verschiedenartigen Menschen bietet es einen kleinen Einblick in Asien und trotzdem noch sehr europäisch.

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